Für Kinder, die Diät halten müssen, ist der Advent eine schwierige Zeit.
Ein Gespräch mit Anna und Oliver*, zwei Betreuern aus einem Bewegungs- und Abnehmcamp
Wenn Durchhalten schwierig wird
„Ja, im Advent kommt meist der Einbruch“ sagt Ernährungswissenschaftlerin Anna. Sie ist Betreuerin im „Fit statt Dick Camp“, einem Sommercamp für Kinder zwischen zehn und 18 Jahren im niederösterreichischen Pressbaum.
„Kurz vor Weihnachten ist es schon kalt und dunkel, man bewegt sich nicht so gerne wie im Sommer. Und ganz wichtig – Völlerei und Ausreden werden mit ‚es ist halt Weihnachten’ akzeptiert. Einmal aus den guten Vorsätzen gefallen ist es schwierig, sich nach Weihnachten wieder gesund zu ernähren“.
Was genau macht Kinder dick?
„Falsches Essen“, das bedeutet vor allem: süße Getränke, Knabbereien und zu große Portionen am Teller, die einfach verschlungen werden. „Die Kinder merken gar nicht, dass sie satt sind, weil sie zu schnell essen und dann noch Nachschlag wollen. Es ist aber eigentlich immer ein Zusammenspiel von zu viel Essen und zu wenig Bewegung“, so die Betreuer.
„Uns ist aufgefallen, dass zu dicke Kinder entweder vernachlässigt oder verhätschelt werden. Die Eltern kümmern sich also zu wenig oder zu viel. Häufig ist dabei leider eine schwierige Situation daheim, zerrüttete Verhältnisse sind keine Seltenheit.“
Das Verhalten vieler Eltern stößt bei den Betreuern immer wieder auf Unverständnis: „Ganz schlimm ist für uns, wenn Kinder nach dem Camp abgeholt werden und die Eltern ihnen eine Tafel Schokolade zur Belohnung mitbringen. Oder wenn die Eltern am Besuchstag nicht wissen, was sie mit ihren eigenen Kindern anfangen sollen und dann Pizza essen gehen. Da wissen wir, dass das Problem schon ganz woanders liegt.“
Viel Bewegung und gesundes Essen
Im dreiwöchigen Sommercamp wird den Kindern bewusstes Essen beigebracht. Dafür lernen sie bei fünf Mahlzeiten täglich (drei Hauptmahlzeiten und zwei Jausen) viel Bewegung ein Gefühl dafür zu bekommen, was ihnen gut tut. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vor 31 Jahren von Karl Zwieauer, Primar der St. Pöltner Kinderstation, dem drei Säulen für die Behandlung wichtig erschienen:Bewegung, Ernährung und die psychologische Komponente. „Man muss alle Drei behandeln, sonst bringt es nichts. Dabei ist es auch sehr wichtig auf den Einzelnen einzugehen!“ sind sich die Betreuer einig. Um sie zu gewährleisten wird das Camp immer von Sportlern, Ernährungswissenschaftlern, Outdoor-Pädagogen und einer Psychologin betreut.
Spiele, Spaß, frische Luft und Bewegung sind die Schwerpunkte. Kombiniert werden die mit Workshops zu gesunder Ernährung bei denen die Kids dann auch Tagespläne für danach und daheim erstellen können. „Es ist ein langer, steiniger Weg wirklich sein Leben und seine eingefleischten Gewohnheiten zu ändern!“ Auch Entspannung zwischen den Einheiten darf nicht zu kurz kommen, sonst funktioniert das Abnehmen nicht. Deshalb gibt es Yoga oder Basteleinheiten. „Wenn jemand in zwei Wochen kein Gramm abgenommen hat, stimmt etwas nicht, dann schauen wir vielleicht mal in seinem Zimmer nach Keksen. Aber natürlich auch ob wir vielleicht andere Spiele machen können, bei denen der/diejenige lieber mitmacht!“
Die Anmeldung im Abnehmcamp
„Entweder die Eltern melden die Kinder an oder der Arzt verschreibt es sogar. Bringen tut es aber nur etwas wenn die Kinder es selbst auch wollen.“
Übereifrige Eltern sind allerdings keine Seltenheit: „Schlanke Kinder werden immer mehr zum Statussymbol. Das ist dann schlimm, weil manche Kinder einfach nur Babyspeck haben und gar nicht abnehmen müssten. Die Bewegung und der Spaß im Camp in Kombination mit der gesunden Ernährung tut ihnen dann aber trotzdem gut.“
Gibt es auch Kinder, bei denen all das nicht zu trifft?
„Ja, Einer. Ein sehr süßer Bub, bei dem wissen wir, dass die Eltern sich kümmern und alles daheim in Ordnung ist. Der isst einfach gerne. Ein richtiges Gourmet-Kind.“
Das Problem mit dem Essen
Betreuer Oliver weiß, wovon er spricht. Er war jahrelang selbst Teilnehmer im Camp und hat es diesen Sommer sogar geleitet. Er bestätigt, dass man es nur schaffen kann, wenn man es wirklich selbst will. Er hatte im Camp oft sehr viel Spaß, weil durch die viele Bewegung und die Spiele das Abnehmen zur Nebensache wurde. Wenn er dann aber nach Hause kam, war die alte Routine oft wieder da. Vor allem weil er als Kind ja noch nicht für sich selbst einkaufen gehen konnte. Irgendwann hat „es aber Klick gemacht“, er hat sein Leben komplett umgestellt, angefangen Basketball zu spielen und irgendwann war auch das Essen kein Stressfaktor mehr.
Anna kann Olivers Erzählungen nur bestätigen „wenn man die Kinder zum richtigen Zeitpunkt ‚erwischt’, kann man richtig etwas bewirken! Im Camp zuzusehen, wie sie von Tag zu Tag fitter und glücklicher werden, gibt auch uns sehr viel.“
Die Camps sind jeweils drei Wochen lang, einmal für Kinder von elf bis 14, einmal für Jugendliche von 15 bis 18. Auch die Betreuer werden in der Zeit fitter und nehmen ob der vielen Bewegung und der gesunden Ernährung immer ein bisschen ab.
Oliver kann heute guten Gewissens Kuchen essen und endlich auch die Weihnachtszeit genießen.
*Namen von der Redaktion geändert.
Links: In Österreich gibt es mittlerweile mehrere Camps, die ein solches Programm anbieten, hier das Beschriebene: Fit statt Dick oder auch: Supercamp.at.